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Mindestlohn im Kanton Basel-Stadt
Konsequenzen aus dem Mindestlohnentscheid Künftig wird – von Ausnahmen abgesehen – mindestens 21 Franken pro Stunde verdienen, wer im Kanton Basel-Stadt arbeitet. Wir blicken auf einen intensiven Abstimmungskampf zurück. Emotionen sind verständlich. Trotzdem wäre es fatal, wenn die Gegnerschaft, sich nun darauf beschränken würde, das Ergebnis zu beklagen. Der angenommene Gegenvorschlag bietet auch Chancen für den Standort Basel. Darüber, welche das sein können, diskutieren wir im nächsten KMU-Polit-WebIn. Die meisten Unternehmen erfüllen die Forderung längstens. Nicht Zwang sondern die Erkenntnis, dass sich Grosszügigkeit bei Löhnen und Arbeitsbedingungen auszahlt, sind der Grund dafür, dass faire Löhne gezahlt werden. Auch wenn ein motivierter Mitarbeitender einige hundert Franken mehr verdient, trägt er in jedem Unternehmen bedeutend mehr zum Erfolg bei, als jemand, der für einen minimalen Lohn eine entsprechende Leistung erbringt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich im Grundsatz einig, dass Berufs- und Branchenverbände sowie Arbeitgeberorganisationen das Ergebnis zum Anlass nehmen könnten, um darauf hinzuweisen. Weil in für allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) mit dem Einverständnis beider Sozialpartner Abweichungen möglich sind, wird die Sozialpartnerschaft durch das Abstimmungsergebnis tendenziell sogar gestärkt. Von starken Sozialpartnern getragene GAV liegen im Interesse derjenigen Betriebe, die sich an Regeln halten. Bauchweh bereiten sie allenfalls denjenigen, die sich mit Schlaumeiereien und Dumpingangeboten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen. Die Befürchtung, dass Gewerkschaften den staatlichen Mindestlohn zum Anlass nehmen könnten, GAVs mit niedrigeren Minimallöhnen zu kündigen, um den Mindestlohn durchzusetzen, erteilten Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerschaft eine Absage: «Wir stehen zur Sozialpartnerschaft. In einem GAV sind nicht nur Mindestlöhne festgelegt sondern eine ganz Reihe zusätzlicher Leistungen, die über die im Arbeitsgesetz festgelegten Minimalleistungen hinausgehen. Mit einer Kündigung aus diesem Grund würden sich die Arbeitnehmervertretungen ins eigene Fleisch schneiden», brachte es ein massgeblicher Gewerkschaftsvertreter auf den Punkt. Von Arbeitgeberseite wurde der mögliche Druck auf die übrigen Löhne angsprochen: «Wenn der ungelernte Arbeiter CHF 21 pro Stunde verdient, muss ich jedem gelernten mehr bezahlen. Sonst ist der unzufrieden», fasste ein Unternehmer zusammen. Hier liegt tatsächlich ein gewisses «Risiko», welches zu einer Kostensteigerung führen könnte und welches es aufmerksam zu beobachten gilt. Allerdings wurde von Arbeitgeberseite betont, dass der Lohn schon längst nicht mehr das alleinentscheidende Kriterium für zufriedene Mitarbeitende sei. Mindestens ebenso wichtig seien Aspekte wie die Attraktivität des Arbeitsplatzes und die Work-Life-Balance. Speziell wurde seitens der Gruppe23 einmal mehr darauf hingewiesen, dass der Volkswille auch für den Staat Konsequenzen haben muss – bei der Auftragsvergabe nämlich. Es geht nicht an, dass bei Submissionen ausschliesslich der Preis gewichtet wird, weil das zu Druck auf Löhne führt. Es sollen diejenige Firmen zum Zug kommen, die faire Leistungen zu einem fairen Preis offerieren. Thematisiert wurden auch mögliche Auswirkungen auf die Motivation von Jugendlichen, während drei oder vier Jahren eine Lehre zu machen und sich mit einem Lernendenlohn zu begnügen, wenn es parallel dazu die Möglichkeit gibt, ungelernt CHF 4'000 pro Monat zu verdienen. Dieses Risiko wurde als nicht sehr gross beurteilt. Zum einen gab es diese Unterschiede bereits bisher, andererseits ist es eine permanente Aufgabe, die Attraktivität von Berufslehren zu steigern. Dazu gehört unter anderem, auf Karrieremöglichkeiten hinzuweisen, für die eine Lehre die Basis bildet. Verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben Ideen geäussert, wie Berufslehren tatsächlich attraktiver werden könnten, zum Beispiel durch zusätzliche Optionen. Muss jemand, der über einen Abschluss sowie die Fähigkeiten und den Willen verfügt, eine Kaderposition zu erlangen wirklich vier Jahre lang alle grundlegenden Kenntnisse und Fähigkeiten erlernen? Hier gilt es, kreative Pilotprojekte aufmerksam zu verfolgen. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass Entwicklungen, die zu einer weiteren Abkehr von Praxisbezügen führen würden wie die geplante KV-Reform, verhindert werden müssen. Nationalrätin Katja Christ (glp, BS) hat dazu im Nationalrat einen Vorstoss eingereicht, der hoffentlich zu einem Umdenken führen wird. Ein Bildungswissenschaftler beklagte, dass bei Berufslehren wie in der gesamten Wirtschaft der Wert der Bildung an Bedeutung einbüsse. Was also tun? Ein Gewerbevertreter fasste es so zusammen: «Möglichkeiten zu lebenslangem Lernen fördern. Das bedeutet, dass zusätzliche Möglichkeiten für Quereinsteigende geschaffen werden sollten und dass sich alle Arten von Ausbildungen vermehrt an den unterschiedlichen Bedürfnissen orientieren». An die Schulen wurde appelliert, aktiv dazu beizutragen, die Vorzüge einer Berufslehre aufzuzeigen und Jugendliche dafür zu begeistern. Seitens eines Vertreters des Zentrums für Brückenangebote wurde der Mindestlohn sogar als Chance gesehen, unmotivierte Jugendliche zu einer Berufstätigkeit zu animieren und ihnen damit einen Einstieg ins Berufsleben zu verschaffen. Einhellig war die Überzeugung, dass der angenommene Gegenvorschlag keine substanzielle Bedrohung für den baselstädtischen Arbeitsmarkt bedeutet, dass sich daraus ergebende Chancen genutzt werden und Folgen aufmerksam beobachtet werden sollten und dass – wenn erforderlich – rasch auf unerwünschte Entwicklungen reagiert werden soll. Das nächste KMU-Polit-WebIn findet am Donnerstag, 19. August 2021 statt. 20.06.2021 / Felix Werner |