Persönlich.

Unternehmerinnen und Unternehmer erzählen.

Rosa Gölgeli
Basel

ist Dipl. Beraterin im sozial-psychologischen Bereich IKP, HR-Profi, Führungsverantwortliche und Coach. Sie verfügt über eine umfassende Erfahrung der HR-Life Cycle Prozesse wie Personalbeschaffung, Personalvermittlung, Rekrutierung, Administration (HR-Controlling und Sozialversicherung) und setzt diese nachhaltig und gewinnbringend für Stellensuchende und Unternehmen ein. Sie hat sich mit Job Access selbständig gemacht.

 Rosa Gölgeli (Foto: Erkan Simsir)

Rosa Gölgeli kennt als HR-Expertin alle Aspekte der Arbeitsintegration aus langjähriger praktischer Erfahrung. Nun hat sie sich selbständig gemacht und «Job Access» gegründet. Ihr neues Unternehmen hilft Arbeitnehmenden, die auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind, wieder im 1. Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Zudem berät und unterstützt sie Firmen und Sozialversicherungen.
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unternehmen.: Wieviel Mut hat es gebraucht, um sich in der gegenwärtigen Situation selbständig zu machen?

Rosa Gölgeli: Angst ist etwas, was mich früher oft zurückgehalten hat. Wenn es etwas gibt, was mich diese Pandemie gelehrt hat, dann ist es, dass die Zeit keinen Platz für Angst lässt. Wir leben in Zeiten des Umbruchs, in welchen alte Gewissheiten neu gedacht werden müssen. Gleichwohl bietet dieser Umbruch neue Möglichkeiten für alle, die Veränderungen auch als Chancen begreifen und diese wertvoll nutzen. Ich bin schon seit über zehn Jahren in der Personalbeschaffung  und -vermittlung tätig. Höchste Zeit, mein Wissen durch Job Access weiterzugeben. 

Was macht Job Access?
Job Access rekrutiert, unterstützt und vermittelt arbeitsmarkt- und arbeitsfähigen Personen, die von staatlichen Unterstützungsleistungen abhängig sind, Tätigkeiten im regulären Arbeitsmarkt. Mit unserem Phasenmodell befinden sich Teilnehmer/innen bereits nach fünf Einzelsitzungen an einem neuen und besseren Standort. Unternehmen profitieren von Job Access als direkte Stellenvermittlung und sparen Kosten bei der Personalrekrutierung und Stellenausschreibung.

Mit welchen Schwierigkeiten haben Stellensuchende zu kämpfen?
Das ist sehr individuell. Die Welt der Stellensuchenden hat sich verändert. Charles Dickens hatte recht: Für einige ist heute die beste Zeit. Für andere ist die aktuelle Zeit ihr persönliches Worst-Case-Szenario. Die Spielregeln wurden ohne vorherige Ankündigung geändert. Stellensuchende und Arbeitgeber/innen sprechen zunehmend verschiedene Sprachen, obwohl sie dieselben Worte benutzen. Die grösste Gefahr ist diese Unsicherheit. Zudem verwenden die meisten Stellensuchenden Bewerbungsdossiers, die nicht mehr zeitgemäss sind. Sie kämpfen gegen die Zeit und werden nach einigen Absagen entmutigt. Genau an diesem Punkt ist es wichtig, wieder über die Bücher zu gehen und sich Rat zu holen. Jedes Handy fragt nach zwei Wochen nach einem Update. Es ist wichtig, dass sich Stellensuchende klar darüber sind, was sie gut machen und was optimiert werden kann.

Für wen ist es heute leichter und für wen schwieriger, eine neue Stelle zu finden?
Die Jobsuche hat sich verändert, und zwar dramatisch:  Sie dauert länger und die durchschnittliche Beschäftigungszeit hat sich drastisch verkürzt. Wir werden in Zukunft immer häufiger nach neuen Jobs suchen müssen. Die Jobsuche findet immer mehr im Internet statt. Jobportale, LinkedIn und Xing gewinnen an Bedeutung, und dann gibt es noch den verdeckten Arbeitsmarkt. 80% der Stellen werden heute nicht durch Online-Suche und Bewerbung, sondern durch «Active Sourcing» besetzt. Recruiter suchen im Internet gezielt nach Mitarbeitenden. 

Stellst Du zwischen KMU und Grossbetrieben Unterschiede bei der Rekrutierung fest?
Ja. In Grossunternehmen sind die Abläufe regulierter und prozessorientierter, sie werden gemessen, der Validierungsprozess sowie das On- wie Off-Boarding einer Anstellung durchlaufen diverse Etappen. In KMU sind die Prozesse meist wesentlich kompakter.

Wie unterstützt Job Access Stellensuchende?
Wir unterstützen sie bei der beruflichen Orientierung im Arbeitsmarkt-Dschungel und helfen ihnen, eine neue Stelle zu finden. Die meisten Stellensuchenden bringen genug Arbeitserfahrungen und Fähigkeiten mit. Wir helfen ihnen bei der Optmierung ihrer Dossiers, verschaffen ihnen Zutritt zum verdeckten Arbeitsmarkt und unterstützen sie in Einzelcoachings mit möglichst einfachen und effizienten ganzheitlichen Methoden bei notwendigen  persönlichen Veränderungen. 

Job Access bietet auch «Optimierungsmöglichkeiten der Vermittlungsstrategie» und Upskilling. Was bedeutet das?  
Wir bereiten Stellensuchende individuell und zielorientiert auf alle Phasen eines Bewerbungsprozesses vor. Je nachdem benötigt jemand ein Upskilling. Das bedeutet, dass wir die Person «aufqualifizieren», damit sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Ein Lagermitarbeiter ohne Staplerausweis hat zum Beispiel durch den Erwerb eines Staplerausweises bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Was bietet Job Access Unternehmen an?
Job Access unterstützt Unternehmen bei der nachhaltigen Besetzung von Stellen. Schnelligkeit und Wirtschaftsnähe sind unsere Markenzeichen. Der persönliche Kontakt zu den Arbeitgebenden, die strukturierte Interviewmethodik, der gesamte HR-Lifecycle Prozess und das optimale Matching mit passenden Personen sowie deren individuelle Begleitung während der Einsatzdauer sind wichtige Merkmale unserer Arbeit. Dank der persönlichen Begleitung der Mitarbeiter/in durch einen Coach während der gesamten Probezeit sind Betriebe offener, sich auf eine Zusammenarbeit mit Langzeitarbeitslosen einzulassen.

Du arbeitest auch mit Sozialversicherungen zusammen. 
Wir prüfen mittels verhaltensspezifischer Beobachtung realitätsnahe Handlungssituationen rund um die Berufskompetenzen und Qualifikation von Stellensuchenden, sichten Bewerbungsunterlagen und analysieren die bisherige Bewerbungsstrategie. Wir klären Schwachstellen im Lebenslauf und Jobsuchkompetenzen im Internet, machen Coachings und werben in unserem Job Access Arbeitgeber-Netzwerk (on- und offline) aktiv für die Stellensuchenden.

Job Access kann stolz sein auf eine überdurchschnittlich hohe Vermittlungsquote. Was ist Dein Erfolgsrezept? 
Ich bin Rosa, ich bin anders und das ist meine Stärke. Mein Motto: «Tu Gutes, sei nett und rede darüber!» Ich vertraue meinen Fähigkeiten, Kompetenzen und Visionen und lasse das merkbar in meine Arbeit einfliessen. Ich bin immer offen für Feedbacks. Es ist wichtig für mich pro-aktiv Kritik einzufordern, besonders von Mitarbeitenden oder Arbeitskolleg/innen. Ich frage meistens direkt, was ihnen Negatives oder Postives über mich einfällt und was ich verbessern kann. Dies zur Praxis zu machen ist unfassbar hilfreich.

Worauf sollten Unternehmen bei der Rekrutierung achten?
Auf einen Blick sind das meistens die Überlegungen eines Arbeitgebers: Fachliche Eignung, Persönlichkeit, Motivation. Bei Bewerbern mit Schwachstellen und Lücken im Lebenslauf bitte nicht sofort absagen, sondern nachfragen, ob die Bewerberin oder der Bewerber Schwachstellen und Lücken im Lebenslauf überzeugend begründen kann.

Was können Arbeitnehmende tun, um möglichst gute Voraussetzungen für eine neue Stelle zu haben?
Ich kann hier aus eigener Erfahrung berichten. Ich bin in meinem Leben aufgrund von Reorganisationen schon zweimal entlassen worden und erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich mich fühlte, als ich die traurige Nachricht bekam. Ich erinnere mich, wie ich dachte «Gerade ist die Welt eingestürzt – meine Welt auf jeden Fall.» Die Arbeitslosigkeit erschütterte meine Seele in ihren Grundfesten. Ich musste einfach einen Weg finden, um mit meinen Gefühlen fertig zu werden. Meine Tipps insbesondere jetzt in Zeiten von Corona: Jede/r hat verschiedene Möglichkeiten, die Jobsuche voranzutreiben – auch wenn die Anzahl an geeigneten Stellenanzeigen gering ist. Wichtig sind professionelle Unterlagen und dass sich die Bewerber/innen überzeugend präsentieren. Ausserdem sollten sie mit neuen, weitgehend kontaktlosen Methoden bei Bewerbungsprozessen vertraut sein. Stellensuchende sollten trotz möglicher Frustration den Kopf nicht in den Sand stecken und motiviert bleiben. Sie sollten sich klar machen, dass der Jobverlust nicht eine Folge mangelnder Fähigkeiten ist, sondern durch eine wirtschaftliche Krise hervorgerufen wurde. Ein Vorteil kann sein, dass andere, eigentlich wechselwillige Arbeitnehmer/innen momentan auf Nummer sicher gehen und erst einmal bei ihrem aktuellen Arbeitgeber bleiben. Dadurch ist die Konkurrenz an qualifizierten Bewerber/innen auf offene Stellen kleiner. Wenn die Antworten nicht auf der Hand liegen – Arbeitssuchende können für eine berufliche Neuorientierung entweder mit professionellen Coaches oder Personaldienstleistern sprechen, aber auch mit Freunden und Geschäftskontakten. Die Einschätzung der Stärken und Talente von verschiedenen Seiten kann neue Impulse für den beruflichen Neustart geben und das Profil schärfen.

Das Gespräch führte Felix Werner im April 2021.

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