Persönlich.Unternehmerinnen und Unternehmer erzählen.
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Peter Zinkernagel
Riehen (*1942) absolvierte nach der Matura am MNG eine Ausbildung zum dipl. Architekten ETH/SIA. Zusätzliche Erfahrungen erwarb er danach in den Bereichen Wohnungsbau, standardisiertes Bauen, Industriebau sowie Städte-, Regional- und Landesplanung. Von 1971 bis 1978 war er Geschäftsleiter und Partner in der Firma Ackermann Architekten SIA. Im Juni 1978 gründete er sein eigenes Architekturbüro. Neben seinem beruflichen Engagement war er von 1997 bis 2009 Mitglied im baselstädtischen Grossen Rat, von 1998 bis 2018 Einwohnerrat in Riehen und während mehr als 20 Jahren Präsident des Handels- und Gewerbevereins Riehen. |
Peter Zinkernagel (Foto: Felix Werner)
Peter Zinkernagel war beruflich während mehr als 40 Jahren erfolgreich als selbständiger
Architekt tätig. Zudem engagierte er sich politisch als Grossrat, als Riehener Einwohnerrat und als langjähriger Präsident des Handels- und Gewerbevereins Riehen für Anliegen der KMU-Wirtschaft. unternehmen.: Was hat Dein Berufsleben rückblickend am meisten geprägt? Peter Zinkernagel: Einerseits war das sicher die Faszination für den Beruf, die ich immer verspürt habe. Man ist nur erfolgreich, wenn man etwas tut, was einem wirklich Freude bereitet und wofür man sich begeistert. Ein Architekt plant nicht einfach nur neue Häuser, die dann irgendwo gebaut werden. Er gestaltet damit zugleich die Umgebung mit, in der die Leute in einem Dorf, einem Quartier und in einer Stadt leben. Dieser Aspekt gewinnt mit der zunehmenden Grösse und Komplexität von Städten und Agglomerationen stetig an Bedeutung. Ich habe 2007 auf eigene Kosten eine umfassende Wohnbaustudie für den Kanton Basel-Stadt erarbeitet, die Schlüsselprobleme und Herausforderungen aufgezeigt hat. Ich freue mich zu sehen, dass man seither, zum Beispiel bezogen auf die damaligen Empfehlungen, sich auf eine nachhaltige Stadtentwicklung zu fokussieren und Areale entsprechend zu entwickeln, entscheidende Schritte weitergekommen ist. Zudem gab es noch einen zweiten Aspekt, der mein Berufsleben sicher auch entscheidend geprägt hat: Mein Entscheid vor mehr als 40 Jahren, selbständig unternehmerisch tätig zu sein. Wann hast Du gemerkt, dass Du über ein «Unternehmergen» verfügst? Nach meinem Studium und einem erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben war ich während einigen Jahren Geschäftsleiter und Partner bei Ackermann Architekten, damals einem der grössten Architekturbüros in Basel. Die Arbeit war spannend und heraufordernd, aber ich habe mit der Zeit gemerkt, dass ich zu viele Kompromisse eingehen musste. Die Herausforderung hat mich gereizt, mein eigenes Unternehmen zu gründen und alles genau so zu machen, wie ich es für richtig hielt. Ich habe gemerkt, dass ich bereit war, Verantwortung für ein Unternehmen als Ganzes zu übernehmen. 1978 habe ich dann mein eigenes Architekturbüro gegründet. War das einfach? Nein. Es ist ein Unterschied, ob man ein bestehendes Unternehmen übernimmt oder selber bei Null anfängt. Man muss sich bewusst sein, dass der Start in die Selbständigkeit, sowohl was den Arbeitsaufwand, die Verantwortung und auch die Finanzen betrifft, seinen Preis hat. Neben dem administrativen Aufbau müssen erste Aufträge akquiriert werden und es dauert, bis die ersten Honorare eingehen. So habe ich mir in den ersten Monaten überhaupt keinen Lohn ausbezahlt, um das Budget zu schonen. Dafür weist die erste Erfolgsrechnung vom 1. Juni 1978 bis 31. Dezember 1978 schon einen Gewinn von 10‘160.55 Franken aus. Der Aufbau von Eigenkapital ist für jedes Unternehmen wichtig. Es wird gebraucht, um Investitionen zu tätigen und Reserven anzulegen. Wie wichtig das für das Überleben eines Unternehmens ist, erleben wir in der gegenwärtigen Krise. Es ist Dir gelungen, ein erfolgreiches Architekturbüro aufzubauen. Was war Dein Rezept? Neben dem Erarbeiten von finanziellen Mitteln für Investitionen und Reserven ist ein entscheidender Faktor, dass man Freude daran hat und über die Fähigkeit verfügt, ein Netzwerk aufzubauen, Kontakte zu pflegen und Aufträge zu akquirieren. Wenn jemand das nicht kann oder will, nützen einem alle Fachkenntnisse nichts. Ein zweiter entscheidender Faktor ist, dass man seine eigenen Stärken und Schwächen realistisch einschätzen kann und in der Lage ist, ein Team aufzubauen. Man muss Leute beiziehen, deren Fähigkeiten die eigenen ergänzen. Als Einzelkämpfer wird man in den seltensten Fällen erfolgreich sein. Man muss also über die Fähigkeit verfügen, ein Team zu führen. Was waren Deine Führungsgrundsätze? Ein wichtiges Prinzip von mir war es, allen finanziellen Verpflichtungen, insbesondere den Mitarbeitenden gegenüber, immer pünktlich nachkommen zu können. Wenn das nicht sichergestellt ist, geht sehr schnell Vertrauen verloren. Ein zweiter Grundsatz war, immer den Überblick über das ganze Unternehmen zu haben und den letzten Entscheid zu treffen. Eine Folge davon war, dass mein Unternehmen nicht unbeschränkt gewachsen ist. Ein Team von 12 bis 15 Personen hat sich als optimal erwiesen. Es gab Zeiten, in denen ich wegen der guten Auftragslage die Belegschaft mindestens hätte verdoppeln können. Aber ich hätte das Unternehmen dann nicht mehr so führen können, wie ich es für richtig hielt. Es gehört auch zu den Grundsätzen einer verantwortungsvollen Führung, seinen Prinzipen treu zu bleiben und nicht immer alles zu machen, was vielleicht möglich wäre. Steht der Entscheid, schlussendlich immer selber zu entscheiden, nicht im Widerspruch zum Teamgedanken? Ich machte das nicht aus Freude am «Befehlen», sondern weil ich als Unternehmer die Verantwortung für unsere Produkte und Dienstleistungen und für die Aussenwirkung des Unternehmens trage. Besonders wenn mal etwas schief läuft, finde ich es unmöglich, als Unternehmer hinzustehen und zu erklären, davon nichts gewusst zu haben oder sich hinter Entscheiden von Mitarbeitenden zu verstecken. Ein Team funktioniert nur, wenn Mitarbeitende sich einbringen und mitgestalten. Sie müssen bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und eigenverantwortlich zu handeln. Das sind auch die meisten – zumindest zum Zeitpunkt, an dem sie eine neue Stelle antreten. Wenn sie dann aber in einem Team oder im Unternehmen nicht wertgeschätzt werden, sich schikaniert oder bevormundet und im Regen stehen gelassen fühlen, führt das ziemlich schnell zu «inneren Kündigungen» und in der Regel auch dazu, dass sie das Unternehmen auch tatsächlich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit verlassen. Wie ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitenden umgeht, lässt sich ziemlich einfach an der Fluktuationsquote ablesen. Ich bin froh, dass ich in den vergangenen 40 Jahren in aller Regel auf gute Teams zählen konnte und wir viele langjährige Mitarbeitende beschäftigten. Ist es heute einfacher oder schwieriger als früher, unternehmerisch tätig zu sein? Es ist eindeutig schwieriger. Die Komplexität der Herausforderungen nimmt stetig zu. Einerseits sind das Themen wie Arbeitssicherheit, Arbeitsplatzqualität, Gesundheitsschutz etc., die zu Recht an Bedeutung gewinnen. Die Digitalisierung stellt Unternehmen vor die Frage, wie diese genutzt werden kann oder muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Gesetzliche und branchenspezifische Regelungen und die Anforderungen an die Ausbildungsleistung von Betrieben werden komplexer, Bewilligungsverfahren aufwändiger. Der administrative Aufwand für das Offerieren von Leistungen ist geradezu explodiert und Finanzierungen sind wegen strenger werdender Regeln und internen Compliance-Grundsätzen von Banken deutlich schwieriger und aufwändiger als früher. Trotzdem besteht die Faszination, unternehmerisch tätig zu sein nach wie vor und ich kann kreativen, innovativen und leistungsbereiten jungen Leuten uneingeschränkt empfehlen, sich selbständig zu machen. Gleichzeitig richte ich einen Appell an Politik, Verwaltung und Berufsverbände, darauf zu achten, dass nicht immer alles noch komplexer, aufwändiger und komplizierter wird. 99% der Unternehmen in der Schweiz sind KMU und ohne eine funktionierende KMU-Wirtschaft würde in unserem Land nichts funktionieren. Es wäre für unsere Volkswirtschaft verheerend, wenn zu hohe Hürden Talente davon abhalten würden, als Unternehmerin oder Unternehmer dieses Erfolgsmodell in Zukunft mitzutragen. Woran liegt es, dass Politik und Verwaltung bei Entscheiden unternehmerische Anliegen nicht immer angemessen berücksichtigen? Das passiert, wenn Positionen und Forderungen nicht klar und deutlich vernehmbar formuliert werden. Betroffene müssen sich zu Wort melden, Anliegen formulieren und politisch dafür kämpfen, dass diese bei Entscheiden berücksichtigt werden. Da sind einerseits die Unternehmerinnen und Unternehmer gefragt, andererseits aber auch Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter. Auch Mitarbeitende sind letztlich von einer prosperierenden KMU-Wirtschaft abhängig, denn nur gesunde Unternehmen können Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten und schaffen, faire Löhne zahlen und gute Arbeitsbedingungen anbieten. Darum sollten beide Seiten noch deutlich intensiver zusammenarbeiten und gemeinsame Interessen auch gemeinsam vertreten. Eine wirkungsvolle Interessenvertretung wird auch dadurch erschwert, dass Unternehmerinnen und Unternehmer – wie vorhin erwähnt – in ihrem Betrieb oft schon bis zu Belastungsgrenze gefordert werden und ihnen darum oft schlicht die Ressourcen fehlen, um zusätzlich ein politisches Amt auszuüben. Darum sollten Überlegungen angestellt werden, in welcher Form mehr Unterstützung für politische Engagements möglich wäre. Du hast Dich als Grossrat und Riehener Einwohnerrat politisch engagiert und warst zudem während mehr als 20 Jahren Präsident des Handels- und Gewerbevereins Riehen (HGR). Es war mir aus den erwähnten Gründen stets ein Anliegen, die Sichtweise von KMU in politischen Gremien einzubringen und gegenüber von Behörden zu vertreten. Nicht Böswilligkeit führt zu unliebsamen Vorstössen und politischen Entscheiden, sondern in aller Regel fehlende Information. Wenn es gelungen ist, Gründe darzulegen, konnte in aller Regel zumindest ein Kompromiss erreicht werden. Ich habe mit dieser Form von «Konsenspolitik» gute Erfahrungen gemacht. Ein konfrontativer, effekthascherischer Politstil war mir stets zuwider. Als Präsident des HGR habe ich einen Runden Tisch mitinitiiert, an dem sich Vertreterinnen und Vertreter des Gewerbes und die Fondation Beyeler als grossem Riehener «Betrieb» zweimal jährlich mit dem Riehener Gemeinderat zu einem Austausch getroffen haben. Wir wollten nicht immer erst bei akuten Problemen aktiv werden, sondern einen regelmässigen Dialog aufbauen. Das ist dank gutem Willen auf allen Seiten gelungen und hat ebenfalls zu mehr gegenseitigem Verständnis und zu guten Lösungen beigetragen. Ich danke Dir für das Gespräch und wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute. Das Gespräch führte Felix Werner im März 2021. © Die Nutzung und Wiedergabe von Inhalten, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung von pro-KMU und mit Quellenangabe gestattet.
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