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Autor
Felix Werner
(Riehen) absolvierte von 1982 bis 1985 eine Buchhändlerlehre. 1986 machte er sich als Buchhändler selbständig. 1990 gründete er die Zentrale Buchhandelsschule in Olten, die er bis 2000 leitete. Von 2000 bis 2008 war er selbständig im Bereich Kommunikation und Projektmanagement tätig. 2008 war er als Geschäftsführer massgeblich an der Gründung und am Aufbau von LiteraturBasel beteiligt und als Messeleiter führte er zusammen mit Festivalleiter Egon Ammann die von Matthyas Jenny ins Leben gerufene BuchBasel erfolgreich weiter und lancierte zusammen mit dem Schweizerischen Buchhändler- und Verleger-Verband den Schweizer Buchpreis. Im Mai 2012 hat er LiteraturBasel verlassen. Von Juni 2014 bis November 2019 war er Mitglied der Geschäftsleitung des Gewerbeverbandes Basel-Stadt. Seit Dezember 2019 ist er Inhaber der Zweinull GmbH. Seit 2014 ist Felix Werner Präsident des Verkehrsvereins Riehen, seit 2019 zudem Präsident der Stiftung Jahrbuch z’Rieche und der Gesellschaft Schweiz-Russland. Felix Werner ist seit der Gründung der Gruppe23 deren Geschäftsführer. |
Mindestlohn
Mindestlohn im Kanton Basel-Stadt? Mit 3‘973 Stimmen ist die Volksinitiative «Kein Lohn unter 23.-» am 2019 im Kanton Basel-Stadt eingereicht worden. Nach dem Regierungsrat hat auch die grossrätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) einen Gegenvorschlag präsentiert, über den zusammen mit der Initiative voraussichtlich am 13. Juni 2021 abgestimmt wird. In der KMU-Polit-Arena vom 21. Januar wurden mit Christophe Haller, bis Ende Januar WAK-Präsident, grundsätzliche Fragen diskutiert. Am 18. Mai 2014 wurde die Mindestlohn-Initiative auf nationaler Ebene mit 76,3% deutlich verworfen. In den Kantonen Basel-Stadt und in Genf betrug der Anteil an Nein-Stimmen bei dieser Abstimmung jeweils über 60%. Nach dem nationalen NEIN: Kantonale Initiativen Die Initianten liessen jedoch nicht locker und reichten 2019 im Kanton Genf eine kantonale Initiative für einen Mindestlohn von 23 Franken (das entspricht bei einer 42-Stunden-Woche 4‘182 Franken pro Monat) ein. Diese wurde am 27. September 2020 mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 58,2% angenommen. Im Kanton Basel-Stadt wurde am 20. Februar 2019 eine gleichlautende kantonale Volksinitiative mit 3‘973 Unterschriften eingereicht, über die voraussichtlich am 13. Juni 2021 abgestimmt wird. Für die Gruppe23 war das Grund genug, das KMU-Polit-Webinar vom 20. Januar 2021 dem Thema Mindestlohn zu widmen. Damit sollte nicht Abstimmungspodien vorgegriffen, sondern grundlegende Aspekte diskutiert werden. Als Gast konnte WAK-Kommissionspräsident und Grossrat Christophe Haller (FDP) gewonnen werden. Zu Beginn des Webinars erläuterte Christophe Haller die Ausgangslage: Ein substanzieller Unterschied des Gegenvorschlags der WAK gegenüber der Initiative ist die Höhe des Mindestlohnes: 21 statt 23 Franken. Zudem trägt er, etwa beim Geltungsbereich, Vorbehalten von Gegnern Rechnung. Kanton Genf für Mindestlohn Das Abstimmungsergebnis im Kanton Genf zeigt: Bei einer vergleichbaren Ausgangslage und mitten in der gegenwärtigen Krise hat sich eine klare Mehrheit der Abstimmenden für einen Mindestlohn ausgesprochen haben. Falls sich im Kanton Basel-Stadt ebenfalls eine Mehrheit dafür ausspricht, hätte der Gegenvorschlag nach Überzeugung von Christophe Haller deutlich weniger negative Nebenwirkungen als die Initiative. Seine persönliche Präferenz machte er aber klar: Das Aushandeln von Mindestlöhnen soll weiterhin Sache der Sozialpartner bleiben. «Auch als bürgerlicher Politiker bin ich natürlich dafür, dass ein Lohn bei einer Vollzeitbeschäftigung über dem Existenzminimum liegt und ausreicht, um vernünftig zu leben. Aber es gibt Situationen, in denen es nicht in jedem Fall möglich ist, 23 Franken pro Stunde Lohn zu bezahlen. Ich habe volles Vertrauen in die Sozialpartner, dass sie die Lohnsituation kompetent beurteilen und für beide Seiten akzeptable Kompromisse aushandeln. Das sozialpartnerschaftliche System bewährt sich. Darum gibt es keinen Grund, das zu ändern» ist Christophe Haller überzeugt. Mit einer Diskussion über den vorgesehenen «Systemwechsel» begann der Talk über die Inhalte von Initiative und Gegenvorschlag. Das Vertrauen in die Kompetenz von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, Lohnfragen sachkundig zu beurteilen und branchenspezifische Gegebenheiten angemessen zu berücksichtigen, war deutlich zu vernehmen. In Paritätischen Kommissionen verhandeln auf beiden Seiten Fachleute, welche die jeweiligen Branchen sehr gut kennen und besser als die Politik und die Verwaltung wissen, was möglich und realistisch ist. «Auch wenn insbesondere beim Thema Lohn zuweilen hart verhandelt wird, findet man sich doch in aller Regel», sagte eine Teilnehmerin, «und wo kein Missstand besteht, gibt es keinen Grund für eine staatliche Einmischung». Auswirkungen auf die Sozialpartnerschaft Im Gegenvorschlag sind, anders als bei der Initiative, Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) vom Mindestlohn ausgenommen. Die Sozialpartner können Löhne nach wie vor selber aushandeln. Allgemeinverbindlich bedeutet, dass ein bestimmtes Quorum an Betrieben und Mitarbeitenden einem GAV untersteht, und der darum vom Bund für alle Betriebe einer Branche für verbindlich erklärt wird. Das Ziel allgemeinverbindlicher GAV ist sinnvoll, weil so nicht nur ein Teil einer Branche in die Pflicht genommen wird, sondern gleiche Regeln für alle Marktteilnehmer gelten. Indirekt könnte der Gegenvorschlag ein zusätzliches Argument dafür liefern, GAVs für allgemeinverbindlich zu erklären und die Sozialpartnerschaft damit zu stärken. Schwächung der Berufsbildung? Eine weitere Befürchtung betrifft den Stellenwert der Berufsbildung. Können Jugendliche noch dazu motiviert werden, eine Berufslehre zu absolvieren und während drei oder vier Jahren deutlich weniger zu verdienen, wenn sie auch ohne Ausbildung einen Mindestlohn von über 4‘000 Franken erhalten? Auch dazu waren die Meinungen klar: Das duale Berufsbildungssystem hat sich bewährt und muss unbedingt erhalten und gestärkt werden. Man traut Jugendlichen zu, die langfristigen Vorteile einer fundierten Ausbildung zu erkennen. Ohne ausreichende Qualifikationen werden Karriereschritte in den meisten Fällen Wunschträume bleiben. Führt ein Mindestlohn zu Einkaufstourismus? Im angrenzenden Ausland gibt es einen staatlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Der liegt in Deutschland aktuell bei 9 Euro 50, in Frankreich bei 10 Euro 25, also umgerechnet zwischen 10 und 11 Franken. Es liegt nahe, dass Dienstleistungen günstiger angeboten werden können, wenn ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden nur 11 statt 21 oder 23 Franken Lohn (plus Nebenkosten) pro Stunde bezahlen muss. Verleiht ein Mindestlohn in der Schweiz dem Einkaufstourismus zusätzlichen Schub? Dieses zusätzliche Risiko wird mehrheitlich als überschaubar eingeschätzt. Lohn- und Preisunterschiede gibt es heute schon und wer die, auf Kosten unserer KMU-Wirtschaft und von Arbeitsplätzen in der Schweiz, für sich nutzen will, tut das schon heute. Bestehende Lohnunterschiede sind übrigens, so wurde betont, ein Indiz dafür, dass in den meisten Branchen dank funktionierender Sozialpartnerschaften auch ohne Mindestlohngesetz heute schon deutlich höhere Löhne gezahlt werden als im Ausland. Auswirkungen auf Niedriglohnbranchen Es gibt Branchen, in denen es die Kosten- und Preissituation nicht erlaubt, in jedem Fall die zur Debatte stehenden Mindestlöhne zu zahlen, weil sich die dafür erforderliche Wertschöpfung nicht erzielen lässt. Die Alternative bei einem Zwang zum Mindestlohn in diesen Fällen wäre, dass die Arbeitsplätze abgebaut oder ins Ausland ausgelagert würden – mit gravierenden Folgen für die Betroffenen. Hier setzt der Gegenvorschlag auf die Sozialpartner, die Ausnahmen vereinbaren können. Wie verhält sich der Staat? Der Staat spielt beim Thema Löhne noch in einer anderen Funktion eine wichtige Rolle. Je stärker bei der Vergabe von Aufträgen der Preis gewichtet wird, desto stärker ist für die Unternehmen der Druck, günstige Angebote zu unterbreiten – insbesondere auch auf Kosten von Mitarbeitenden, weil Personalkosten in den meisten Branchen einen massgeblichen Teil der Kosten ausmachen. 11. Februar 2021 / Felix Werner |