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Digitalisierung
Mehr KI statt diffuser «Digitalisierung» Um «up to date» zu sein, soll alles «digitalisiert» werden. Auf der Strecke bleiben dabei oft wichtige grundsätzliche Fragen. Philip Karger plädiert dafür, wachsam zu sein. Nicht die Digitalisierung, sondern der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz bringt substanzielle Fortschritte und muss gefördert werden, sofern ein wirkungsvoller Datenschutz gewährleistet ist. Die Digitalisierung, die uns als so modern angepriesen wird, ist eigentlich überhaupt nicht revolutionär. Sie bleibt eine elektronische Weiter- oder Zusammenführung von analogen Angeboten. Schon seit 1861 kann ich jemanden anrufen und bereits seit den 1920er Jahren war mobiles Telefonieren in deutschen Zügen möglich. Ob ich eine Mail verschicke (die schriftliche Kommunikation ist Tausende von Jahren alt), ob ich mit jemandem chatte (kommuniziert wird seit jeher), ob ich mobil Musik höre (dank des durch Thomas Alva Edison patentierten Grammophons seit 1887 möglich) oder fotografiere (seit 1826 möglich) – was immer ich mit einem elektronischen Gerät mache, es ist nichts Neues. Revolutionär an der Digitalisierung sind die Geschwindigkeit und die Vereinfachung vieler Abläufe. Die Digitalisierung treiben hauptsächlich diejenigen voran, die daran interessiert sind, Daten zu sammeln und für sich gewinnbringend zu nutzen. Persönliche Daten haben mittlerweile einen so grossen Wert, dass sie vielleicht schon bald den Wert des Geldes übertreffen werden. Bemerkenswert ist, wenn Nutzerinnen und Nutzer diese Daten, mit denen viel Geld verdient wird, verschenken, indem sie sie kosten- und bedenkenlos preisgeben. Auch bei der Automatisierung und Vernetzung von Abläufen bedeutet «Digitalisierung» nicht a priori Fortschritt. Es nützt wenig, wenn ein sogenannt intelligenter Abfallcontainer den Abfall selbständig pressen kann und eine Meldung an die Stadtreinigung macht, wenn er voll ist, solange auf diese Meldung nicht auch ausserhalb der Bürozeiten reagiert wird. Die sichtbare Folge: An Wochenenden sind die Mülleimer bei Hotspots trotz «Digitalisierung» weiterhin «analog» überfüllt – wie seit jeher. Im Grunde genommen sollte «Digitalisierung» durch «künstliche Intelligenz – KI» ersetzt werden. Wenn sichergestellt ist, dass Gesundheitsdaten ausschliesslich bei den Patienten bleiben, bringt eine elektronische Krankengeschichte Vorteile. Gleiches gilt für die Steuererklärung oder andere sensible Aufgaben, die elektronisch erledigt werden können. KI kann auch genutzt werden, um Schülerinnen und Schüler individuell zu betreuen und zu fördern oder sie könnte helfen, einen Anruf bei einer Behörde so zu unterstützen, dass ich ohne Umweg mit der zuständigen Person verbunden werde. Solche Innovationen bringen tatsächliche Fortschritte und Verbesserungen. Voraussetzung ist aber in allen Fällen, dass der Schutz der persönlichen Daten garantiert ist und ausgeschlossen wird, dass Dritte damit ein Geschäft machen. Sorgloser Umgang mit Daten wird für Betroffene zum Problem werden. Wie weit verbreitet zum Glück die Skepsis gegenüber dem Risiko der weiteren Verwendung und des Verkaufs persönlicher Daten mittlerweile ist, hat das deutliche Ergebnis der Volksabstimmung über das E-ID-Gesetz vom 7. März 2021 gezeigt. Die Skepsis dagegen, dass private Unternehmen Bestätigungen über Identitäten ausstellen, ist berechtigt. Verbindliche Garantien, dass die Daten nicht weiterverwendet werden, gibt es keine und der Staat kann diese Aufgabe nicht mit der Begründung «outsourcen», dass er keine ausreichenden Kapazitäten dafür habe. Wenn das so sein sollte, sind diese halt wie für die Bildung, die Verteidigung, die Justiz oder andere relevante staatliche Aufgaben zu schaffen. Datenschutz ist kein «nice to have»! Kontrovers diskutiert wird im Zusammenhang mit KI das Thema Datenübertragung. Die Skepsis gegenüber dem für die KI wichtigen 5G-Standard ist verbreitet. Die Diskussion dreht sich oft – dummerweise von Telekommunikationsanbietern gefördert – darum, ob die zusätzliche Geschwindigkeit für die Übertragung von Daten für private Nutzer «nötig» ist. Darum geht es gar nicht. Entscheidend ist, dass ein 5G-Netz in verschiedene, unabhängige Netze unterteilt werden kann. Damit können zum Beispiel Blaulichtorganisationen unabhängig vom öffentlichen Netz sicher und ohne Unterbrüche kommunizieren oder Fahrzeuge und Roboter zuverlässig gesteuert werden. All diese Anwendungen sind auf 5G angewiesen. 5G ist darum eine wichtige Voraussetzung für Fortschritte und die Nutzung künstlicher Intelligenz – aber nur, wenn die Daten sicher sind. Philip Karger 17.06.2021 / Philip Karger |