ThemenInformationen, Ideen, Forderungen und Tipps zu kmu-relevanten Sachthemen.
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Autor
Philip Karger
(Basel) ist nach einer landwirtschaftlichen Lehre und verschiedenen Weiterbildungen über die Mitarbeit in der familieneigenen Buchhandlung, einer Tochterfirma des S. Karger Verlags - einem der weltweit führenden medizinischen Fachverlage - in den Buch- und Verlagshandel eingestiegen. Von 2004 bis 2008 war er Geschäftsführer der Karger Libri AG. 2008 gründete er die Firma Karger Information, die Coaching, Verkaufstrainings und Projektbetreuungen anbietet. Im gleichen Jahr wurde er in den Vorstand der Liberal-demokratischen Partei Basel-Stadt gewählt. Neben seiner beruflichen und politischen Arbeit ist Philip Karger auch als Autor und Fotograf tätig. Philip Karger gehört dem Vorstand von pro-KMU seit 2019 an. |
Gleichstellung
Gedanken zum Gleichstellen und Umverteilen Alarmismus und Forderungen nach radikalen Veränderungen dominieren politische Diskussionen und die Berichterstattung darüber zusehends. Philip Karger setzt dazu einen Kontrapunkt. Er plädiert für Weitsicht und Geduld, denn Entwicklungen brauchen Zeit, um eine nachhaltige Wirkung zu entfachen. Zuweilen ist es auch in der Politik hilfreich, den Blick zu heben und sich zu fragen, mit welcher Strategie Ziele erreicht werden können. Das Pochen auf sofortige radikale Veränderungen ist dabei selten ein erfolgversprechender Weg – zumal in der Schweiz. Auch in der Frage von Lohn- und Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit führen Geduld und Beharrlichkeit zum Ziel. In vielen Unternehmen sind die Gleichstellung von Frau und Mann und individuelle Lohngerechtigkeit längst Realität. Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern generell zu unterstellen, sich gegen Lohngleichheit zu sträuben, ist darum unredlich. Derartige Pauschalisierungen sind nicht vertrauensbildend und bringen unsere Gesellschaft dem angestrebten Ziel keinen Schritt näher. Statistische Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern sind heute in aller Regel darin begründet, dass in verschiedenen Berufsgruppen unter-schiedliche Lohnniveaus herrschen. Unstrittig ist, dass es in einigen Branchen mit hohen Frauenanteilen Nachholbedarf gibt. Auf die Lohnstatistik wirkt sich zu Lasten von Frauen zudem aus, dass in vielen Branchen prozentual weniger Frauen als Männer in Führungspositionen tätig sind. Ein probates Mittel, um Abhilfe zu schaffen, sind in diesen Fällen konkrete Fördermassnahmen. Bis diese greifen, ist Geduld gefragt, denn neben dem Willen braucht es auch Zeit, um das zu korrigieren. Frauen müssen ermutigt werden, sich für entsprechende Stellen und Karrieren zu entscheiden und Faktoren, die ihnen das erschweren, müssen beseitigt werden. Wenn Zahlen über die Entwicklung von Beschäftigungsverhältnissen retrospektiv verglichen werden, wird deutlich, in welchen Branchen Entwicklungen in einem vernünftigen Zeitrahmen erfolgen und wo es schneller gehen könnte. Ein Vergleich mit dem in der Schweiz ebenfalls unstrittig viel zu spät eingeführten Frauenstimmrecht macht deutlich: Auch da brauchte es Zeit, bis die positiven Folgen sichtbar wurden und Wirkung entfalteten. Inzwischen ist der Frauen-anteil in Parlamenten und Regierungen zum Glück recht hoch und steigt – für einige nach wie vor zu langsam – weiter an. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich heute Frauen in der Politik engagieren, bildet eine gute Basis dafür, dass dieses Engagement auch eine nachhaltige Wirkung entfalten kann. Genau das gilt auch für die Gleichstellung im Berufsleben. Wenn in einer Branche nicht genügend Frauen für Kaderpositionen ausgebildet sind und über die notwendigen Erfahrungen verfügen, ist es kontraproduktiv, mittels Quoten Veränderungen erzwingen zu wollen. Nach meinen Beobachtungen steht es um die Parität der Geschlechter im mittleren Kader von KMU vielerorts gut. Deutlich untervertreten sind Frauen auf der Führungs-ebene. Geschäftsführerinnen sind im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nach wie vor in der Minderheit. Das wird an jedem Netzwerk-anlass offensichtlich. Gleichstellung in der Berufs-welt ist erst dann vollzogen, wenn dieses Missverhältnis behoben ist und wenn es nicht mehr auffällt, dass eine Frau Chefin eines Unternehmens ist – oder ein Mann einen Kindergarten leitet. Eine wichtige Rolle kommt dabei Schulen und der Berufsausbildung zu. Es muss gelingen jungen Menschen Wege in die Berufswelt aufzuzeigen und für Berufe zu begeistern, die ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechen und nicht mehr von geschlechtsspezifischen Klischees dominiert sind. Hilfreich wäre es zum Beispiel, junge talentierte Frauen vermehrt zu motivieren, sich für eine Ausbildung in einem handwerklichen oder technischen Beruf zu begeistern. Sie werden sich dort bewähren und einige Jahre später werden sich ihnen Chancen für weitere Karriereschritte eröffnen. Geduld ist eine Tugend, über die – zumal in der heutigen Zeit – nur noch sehr wenige Menschen verfügen. Die Ungeduld vieler, die sich für Gleichstellung einsetzen, ist verständlich, aber sie hilft letztlich nicht weiter. Mit Geduld wird längerfristig eine nachhaltige Gleichstellung ohne Quoten erreicht. Wer wegen einer Quote in eine Position befördert wird, hat es ungleich schwerer, sich zu bewähren als jemand, der eine Stelle aufgrund seiner Ausbildung und seines Leistungsausweises erhält. Darum ist dem Anliegen der Gleichstellung mit Quoten letztlich nicht gedient. An einer Person, die aufgrund einer Quote eine Stelle erhalten hat, bleibt dieses Etikett haften. Zumindest unterbewusst beeinflusst es nicht nur das eigene Selbstverständnis, sondern auch das Verhalten von Kolleginnen, Kollegen und Untergebenen. Es ist unbestritten, dass Gleichstellung angestrebt werden soll – durchaus nicht nur aus uneigennützigen Motiven. Unternehmen, die Gleichstellung aktiv fördern, erkennen die praktischen Vorteile im Geschäftsalltag und profitieren davon. Gleichstellung wird immer wieder auch in Form von Umverteilen gefordert. «Nehmt es den Reichen und gebt es den Armen» klingt auf Anhieb gut. Erst bei vertiefter Betrachtung wird dann deutlich, wo dabei die Probleme liegen: Übertriebene, staatlich verordnete Umverteilung tötet Initiative. Wer als Kompensation für überdurchschnittliches Engagement nicht auch einen überdurchschnittlichen «Ertrag» – in Form eines höheren Einkommens zum Beispiel – erhält, wird auf Dauer nicht bereit sein, dieses Engagement aufrecht zu erhalten. Er begibt sich früher oder später auf den Weg zur Durchschnittlichkeit und wird seine Eigeninitiative auf sein persönliches Umfeld und das eigene Wohlergehen beschränken. Nicht ausser Acht lassen darf man dabei allerdings die tatsächlich nicht immer gewährleistete Chancengleichheit. Dank der humanistischen Tradition und vielen staatlichen und privaten Engagements ist das soziale Netz in unserer Region bedeutend enger gestrickt als in vielen anderen Regionen der Welt. Aber dennoch hat auch bei uns nicht jedes Kind und jeder Jugendliche die gleichen Bildungschancen. Geeignete Massnahmen und Angebote für die Herstellung von Chancengleichheit sind nötig. Motivieren hilft dabei – wie so oft – deutlich mehr als verordnen. Mit Brückenangeboten in Schulen wird zum Beispiel bereits heute sehr viel dafür getan. Forderungen nach noch mehr staatlich verordnetem Umverteilen bergen noch eine weitere Gefahr: Die Bereitschaft zu privatem Engagement wird dadurch bedroht. Anreize für besonderes Engagement, wie es etwa Unternehmerinnen und Unternehmer tagtäglich unter Beweis stellen, muss unbedingt erhalten bleiben. Die oft kolportierte Geschichte vom Tellerwäscher, der dank Fleiss zum Millionär wird, mag klischeehaft wirken, im Kern weist sie aber auf die neben guten Rahmenbedingungen wirkungsvollste Triebfeder für unternehmerische Innovation hin: die Chance auf wirtschaftlichen Erfolg. Wer sich engagiert und etwas «unternimmt», wird in unserem System für die geleistete Arbeit belohnt. Bei der Gründung, der Übernahme oder der Weiterführung eines Unternehmens gehen Unternehmerinnen und Unternehmer hohe Risiken ein. Sie setzen persönliches Vermögen ein und gehen Verpflichtungen gegenüber Dritten ein. Das tun sie aus einer persönlichen Motivation, etwas zu schaffen und zu erhalten und eben auch mit der Aussicht, mit ihrer Innovation Erfolg zu haben. Fehlt dieser Antrieb, wird es bedeutend schwieriger, sich für solche ausserordentlichen Engagements zu motivieren. 19. August 2021 / Philip Karger |